Hallo ihr Lieben,
im Vorfeld der “Asexuality Awareness Week” habe ich mehrere Interviews mit anderen asexuellen Personen geführt, um euch möglichst viele unterschiedliche Perspektiven des Themas präsentieren zu können. Nachdem ich nach meinem ersten Aufruf auf Twitter nur zwei Rückmeldungen erhalten habe, konnte ich mich nach einem weiteren Tweet vor Freiwilligen kaum retten. Ich habe also eine Liste mit allen Informationen der Personen erstellt und mich am Ende für insgesamt zehn Interviewpartner’innen entschieden. Ich hoffe, dass ich eine gute Auswahl getroffen habe und ihr einen kleinen Einblick in ihre Gefühlswelt erhalten könnt.
S Hallo Rike, herzlich Willkommen auf dem sas.verse! 🙂
Und danke, dass du an meinem kleinen Projekt zur “Asexuality Awareness Week” teilnimmst.
Dann wollen wir doch direkt loslegen. Stell dich doch bitte einfach mal vor und erzähle uns, wie du dich identifizierst!
Oh yay, Selbstvorstellungen, lovely! Also, ich bin Rike, Mitte (oder doch schon eher Ende?) 20, Studentin und Bloggerin und queer. Genau genommen pan/homoflexible grey aro&ace. Oder auf Deutsch: Ich fühle mich selten zu jemandem hingezogen, weder romantisch noch sexuell, wenn aber, dann eher zu Frauen. Ein ziemlicher Mundvoll, weshalb ich für gewöhnlich bei queer bleibe, aber für die “Asexuality Awareness Week” drösel ich’s gerne mal genauer auf 😀
Der neuen Jugendbuchecke meiner Stadtbilbiothek, die ein Regalbrett mit der Aufschrift “Homosexualität” hatte, und meinem ersten eigenen PC war es dann zu verdanken, dass ich dann irgendwann rausgefunden habe, dass es doch mehr gibt. Allerdings war dieses “mehr” dann auch erstmal begrenzt auf Hetero vs. Homo und ich habe mich einige Jahre als lesbisch identifiziert, bevor ich nach und nach von anderen sexuellen Orientierungen gehört habe. Bis ich erkannt habe, dass ich nicht nur nicht hetero (und eben auch nicht lesbisch) bin, sondern auch irgendwo auf dem Asexualitäts- und Aromantikspektrum (und dass es sowas überhaupt gibt!), hat es allerdings noch eine Weile und vor allem einige Beziehungen gedauert.
Ich bin als Kind und auch in den ersten Teenyjahren nie bewusst jemandem begegnet, der nicht der “Norm” entsprach. Ich kannte keine Worte für das, was mich “anders” gemacht hat. Ich habe bis Mitte 20 gebraucht, um Worte zu finden, mit denen ich mich tatsächlich wohlfühle. Worte, die zeigen, dass ich nicht einfach nur “anders” bin, sondern etwas, das genau so ein Existenzrecht hat wie die vermeintliche “Norm”. Etwas, das mich nicht einfach nur “anders” macht und ausgrenzt, sondern zu einem Teil von etwas. Uuund ich denke, ich schweife ab 😅
Du sagst zudem, dass du aus einem Umfeld kommst, in dem Sexualität nie wirklich behandelt wurde. Mich würde mal interessieren, wie du damit mittlerweile umgehst. Klarer formuliert: hast du dich geoutet oder ist Sexualität immer noch etwas, über das man nicht spricht?
Was das Coming Out angeht: Jein?
Ich habe mich (nachdem ich ans andere Ende Deutschlands gezogen war) per Nebensatz in einer Mail an meine Mutter als lesbisch geoutet. Auf eine oh so lustige Asexuality & Aromance Erklärrunde mit der Familie hatte ich allerdings bislang keine Lust und das wird sich vermutlich auch nicht so schnell ändern. In den letzten acht Jahren gab es eh nur eine Handvoll Gespräche, die auch nur in die Nähe des Themas gekommen sind. Ich mag meine Familie ja wirklich sehr, aber sie sind halt verdammt privilegiert und ausgesprochen unreflektiert – und nicht unbedingt sonderlich flexibel, wenn es darum geht, ihren Horizont zu erweitern.
Im Freundeskreis bin ich allerdings out und auch sonst gab es bisher nie Gelegenheiten, in denen ich das Gefühl hatte, mich nicht outen zu können oder wollen (also zumindest seit ich die katholische Mädchenschule hinter mir gelassen habe, auf der ich meine Teenyjahre verbracht habe).
Die Beziehungen waren mit “Schuld” dran, dass ich erkannt habe, dass ich irgendwo auf dem Asexualitätsspektrum bin. Um festzustellen, wie egal mir Sex tatsächlich ist, musste Sex halt erstmal als ernsthaftes Thema auftauchen, und das war ohne Beziehung nie der Fall. Mein mangelndes Interesse an Sex war zwar nie der Grund dafür, dass die Beziehungen zu Ende gegangen sind, hat aber sicherlich viel mit reingespielt.
Momentan bin ich glücklicher Single. Dating war noch nie mein Ding, an die vorherigen Freundinnen bin ich auch eher durch Zufall geraten (und weil ich mir dachte, man müsste das ja zumindest mal ausprobieren 🙃). Daher bin ich aktuell auch nicht aktiv auf der Suche nach jemanden – ich bin mir, ehrlich gesagt, auch nicht sicher, wie man als grey aro/ace jemand passendes findet (ich weiß eh nicht, wie Leute das machen, auch wenn sie allohet sind). Oder ob ich überhaupt jemanden finden will.
Mal ein anderes Thema: du bist ja bekennender Serienjunkie und liest durchschnittlich mehr als 200 Bücher im Jahr. Kannst du uns Medien empfehlen, in denen das Thema “Asexualität” gut repräsentiert wird? Oder überhaupt repräsentiert wird? (und ja, mir ist durchaus bewusst, dass es davon nicht viele gibt derzeit. Aber fragen kostet ja nichts 😉
– “Every Heart a Doorway”, der erste Teil von Seanan McGuires Wayward Children Serie
– “The Lady’s Guide to Petticoats and Piracy” und eigentlich auch das erste der beiden Montague Siblings Bücher von Mackenzi Lee
– “The Cybernetic Tea Shop” ist eine SciFi Kurzgeschichte von Meredith Katz mit ace Protas, die ich absolut empfehlen kann!
– “Jughead Vol. 1-3”, Teil der Archie Comics. Archie und Jughead werden den Serienjunkies vielleicht bekannt vorkommen, denn die Netflix Serie “Riverdale” basiert auf den “Archie” Comics. Lose zumindest und eine der Abweichungen ist Jugheads Charakter, der in den neuen Comics explizit ace ist. Eigentlich ace und demi-romantic/aro, so beschreiben ihn zumindest die Autoren des Comics, aber im Comic selbst ist nur von seiner Asexualität die Rede, wodurch ace und aro Elemente teils vermischt werden. Dass Jugheads Asexualität nicht für die Serie übernommen wurde, ist übrigens einer meiner Hauptkritikpunkt daran.
Da du dich gerade schon so schön darüber aufgeregt hast, komme ich direkt zu meiner letzten Frage – da kannst du vielleicht gleich weiter machen 😉 Und zwar wüsste ich gerne, was du dir von unserer Gesellschaft in Beziehung auf Asexualität wünschen würdest? Was sollen allosexuelle Menschen verstehen? Und was kann man tun, um mehr Awarenss zu dem Thema zu bringen?
Und damit wären wir dann auch am Ende unseres Interviews angekommen und ich kann nicht mehr tun, als dir ganz herzlich zu danken! Danke für deine Offenheit und das tolle Gespräch. Es hat wirklich Spaß gemacht!
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